v. l. Ines Pohl (taz Chefredakteurin), Jonas Berhe, Sharon Otoo & Tahir Della (ISD Vorstand)
© 2013 Nzitu Mawakha
Am Freitag, 31. Mai 2013 um 17:00 haben Sharon Otoo, Jonas Berhe und Tahir Della für den ISD-Vorstand der taz-Chefredakteurin Ines Pohl den offenen Brief übergeben. Dabei wurden zwei Kernforderungen formuliert:
- eine öffentliche und schriftliche Entschuldigung, die auch als solche gewertet werden kann.
- eine ausführliche, schriftliche und öffentliche Stellungnahme, die eine inhaltliche Auseinandersetzung der taz mit den von uns dargelegten Vorgängen und der erfolgten Gegendarstellung von Sharon Otoo beinhaltet.
Eine Woche vor der Übergabe wurde uns von Seiten der taz signalisiert, dass unsere Kritik bei der taz.lab 2013 Veranstaltung ernst genommen und bestimmte Einsichten gewonnen worden seien. Doch wurden unsere Erwartungen bei dem Treffen in keinster Weise erfüllt.
So war der taz-Redaktion eine Woche vor der Übergabe bekannt, dass Mitglieder des ISD-Vorstandes aus München und Hamburg anreisen würden, um der Redaktion den offenen Brief zu übergeben. Doch waren die hauptverantwortlichen Personen für die Veranstaltung und die Ereignisse nach dem Vorfall – Jan Feddersen für den taz.lab Kongress und Deniz Yücel als Moderator des Podiums – beide nicht anwesend. Es gab weder eine Stellungnahme noch eine Entschuldigung von ihrer Seite. Auch gab es keine Erklärung, warum sie nicht vor Ort waren.
Damit wurden nicht nur die anwesenden Vertreter_innen der ISD respektlos behandelt, sondern auch die 605 Individuen und 61 Organisationen, die den offenen Brief mit unterzeichnet haben. Im Gespräch wiederholte Ines Pohl ihre persönliche Meinung zum Vorfall und erklärte, dass das Podium so nicht hätte verlaufen sollen. Es gab jedoch keine klare Aussprache zu Yücels sexistischem und rassistischem Verhalten. Vielmehr wurde erneut darauf hingewiesen, dass Satire „wichtig“ sei.
Kleine Handlungen – oder eben Nicht-Handlungen – können ein Klima begünstigen, in dem Rassismus normalisiert und toleriert wird – ganz nach dem Sprichwort: Es reicht, wenn gute Menschen nichts unternehmen. Damit hat die taz noch einmal die Chance vertan, sich der Kritik öffentlich angemessen zu stellen und sich klar gegen internen Rassismus zu positionieren.
Wir bedanken uns an dieser Stelle nochmal ausdrücklich bei all den Menschen, die sich solidarisch mit uns gezeigt haben und eine klare Aussage zum Thema der Veranstaltung „Diskriminierung und Sprache“ getroffen haben. Die ISD wird hieran anknüpfen. Alle diejenigen, die dabei mit uns auf Augenhöhe zusammen arbeiten wollen, sind herzlich dazu eingeladen.
Herzliche Grüße
Der ISD-Vorstand
*Eine kurze Zusammenfassung zur Veranstaltung, die dem offenen Brief voranging: Sharon Otoo wurde als einzige Schwarze Frau eingeladen, um an einem Podium über Diskriminierung und Sprache teilzunehmen. Die Veranstaltung endete in einem Eklat, nachdem der Moderator Deniz Yücel wiederholt provozierend und unnötigerweise das N-Wort benutzte. Schlussendlich schmiss er Teile des Publikums mit den Worten „Du kannst vor die Tür gehen“ aus der Veranstaltung. Sie hatten sich über sein Verhalten beschwert. Eine andere Frau rief er „Geh bügeln“ zu. Den Rest urteilte er als „Kulturwissenschafts -Spakos“ ab.
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Geschehnisse haben mich schockiert, aber auch nicht verwundert. Dank Ihren Aufnahmen war das Verhalten einiger nicht zu überhören. Es ist immer wieder belegbar,dass Bürger mit mehreren Kulturen sich selber unter Druck setzen, dem Mainstream folgen und sich beweisen zu müssen. Dadurch eignen sie sich Verhaltensformen an, welche die aktuelle Stimmung in der hiesigen Gesellschaft wiederspiegeln. Rassismus ist kein Delikt was wir pauschal nur den typisch „weißen“ zuordnen sollten, zumal viele „Weiße“ gegen den Rassismus kämpfen. Ebenso ist es fatal zu glauben, dass Rassismus nicht bei „Linken“ zu finden sei, dies wissen wir auch nicht seit Sarrazin oder Buschkowsky. Wir kämpfen also nicht nur gegen den instutitionellen Rassismus, sondern auch gegen Bürger mit mehreren Kulturen.
Ich werde diese, so wie die anderen, Fälle weiterhin befolgen und Sie haben meine volle Unterstützung.
Fals Sie in München landen, würde ich mich auf sie freuen.
Hochachtungsvoll
Ali YALPI
stellvertr. Vorsitzender
Piratenpartei München
Mein Respekt und meine Solidarität für Sharon Otoo, dem ISD-Vorstand und allen, die am Ball bleiben und die taz mit ihrem Verhalten nicht einfach durch lassen!
Hi, dass der Diskurs solche „Auswüchse“ hervorbringt, zeigt, wie produktiv und wichtig er ist. Besonders, da es noch keine befriedigenden Lösungen gibt. Diese extremen Auswüchse in der Vergangenheit haben als Konsequenz unserer Gegenwart fast unlösbare Traumata vererbt. Schon auf der Ebene der Sprache wird das Dilemma deutlich: von Neger zu Schwarzer, dunkle Hautfarbe/Pigmentierung, Farbig, etc. etc., jeder neue Ausdruck ist ja gleichzeitig ein Euphemismus für seinen Vorgänger, und gleichzeitig Beweis für die Aufrechterhaltung der Unterscheidung. Also braucht es noch viele viele Diskussionen, um den sensiblen Umgang mit den Verletzungen, die angerichtet sind, zuverlässig zu installieren, doch auf keinen Fall ungelöste oder unlösbare Folgeprobleme zu simplifizieren, bzw. zu übertünchen.
Gerade in der Literatur haben diese Jahrhunderte viele Spuren hinterlassen, die nicht auszumerzen sind. Zum Beispiel folgende Stelle bei Hemmingway:
„As the sun set he remembered, to give himself more confidence, the time in the tavern at Casablanca when he had played the hand game with the great negro from Cienfuegos who was the strongest man on the docks. (…) He was sure then that he had the negro, who was a fine man and a great athlete, beaten.“ etc. Ich weiß nicht, wie oft das Wort „negro“ in dieser Passage vorkommt, aber auf jeden Fall macht einem die extreme Häufung bewusst, dass im Kopf des „old man“ der Gegner nicht gleichrangig ist, sondern eben nur durch seine sportliche Leistung geadelt wird, und deshalb seinen Respekt verdient. Gerade aber der Kontext seines sportlichen Ehrgeizes unterfüttert den „oben-unten“ Gedanken, wenn er auch grundsätzlich die Möglichkeit der Anerkennung und „Ebenbürtigkeit“ für verdiente Kämpfer ermöglicht. Die feinen Nuancen, die explizit und implizit das Weltbild des Durchschnittsbürgers bestimmen, und dass auch global orientierte fortschrittliche echte Demokraten oft unreflektierte Reste mit sich herumschleppen, kann man an solchen Stellen ganz deutlich sehen.
Da muss jeder seine eigenen Grenzen kennenlernen und auch unerfreuliche, missglückte Diskurse mit zur Kenntnis nehmen, mit verdauen, damit die berechtigten Interessen der Benachteiligten aus ihrem Nischendasein rausgeholt werden, Beleidigungen dürfen irgendwann garnicht mehr verstanden werden, geschweige denn Alltagsrealität sein (auch Auswüchse wie „maximale Pigmentierung“ müssen analysiert werden, mit ihrer scheinbar entschärfenden, de facto aber eben doch markierenden Haltung). Wie weit kann man die Unterscheidung überhaupt zurückfahren? Und welche Worte sind dann nicht mehr nur Ersatz, Austauschelement auf der Euphemismusspirale, sondern Namen ohne Negativassoziationen (schwarz/dunkel/“farbig“=Gegenteil von „weiß“)? Auch wir sollten anfangen, zu suchen, selbst wenn dann die Lösungen von den Nachfolgern der Ausgegrenzten gefunden werden. Und Sensibilitäten diskutieren, ohne wildem Aktionismus mit ungenügenden Scheinlösungen unterworfen zu werden – das bringt eher Fronten auf, als gemeinsame Sichtweisen zu produzieren. Wer schnell gehen will, geht allein. Wer weit gehen will, macht sich gemeinsam auf den Weg!…….
und kann jetzt Denis Yücel endlich mal erzählen, was da alles vorgefallen ist, wie er das erlebt hat, und was er eigentlich vorhatte, bzw. welche Drogen er nicht verträgt, und nie wieder vor so einem event einwirft? Peace, love & rock’n roll!